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Die Maschinen von Bäckerei Hens aus Mülheim

Junge Freaks und altes Eisen.

Zwei der Maschinen aus dem Hardware-Archiv des Müllers sind ganz besonders mit seiner/meinem Anfang als Bäcker verbunden. Meine Wohngemeinschaft aus Zivildienstleistenden, Arbeitslosen, Buchhändler-Lehrling (so hiess das damals noch), Reisebürokaufmann, Psychopathen und mässig wichtigen Politaktivisten hatte ja beschlossen, den Sinn des Lebens in Teig und seinem haltbaren Endzustand zu suchen. Gemeinsam. Vollwertig. Bio.

Die Lage in der Bäckerwelt änderte sich gerade und die Betriebe wurden aussortiert, geschlossen, geschluckt, die es nicht durch Grösse oder wirklich neue Ideen schafften, die Kunden von ihrer Notwendigkeit zu überzeugen. So entstand schnell ein grosses Angebot an grenzwertigen still gelegten Backstuben: in Kellern, Hinterhöfen, verschachtelten Anbauten. Allein, die Vermieter trauten uns haarigen 20jährigen zu, ihre wertvolle Immobilie zu ruinieren. Die lange Suche endete damals erfolgreich in Meiderich, aber auf der Strecke lagen noch andere Objekte, und eines davon war eigentlich ein Kleinod: mitten in Mülheims Altstadt in der Teinerstrasse 7 lag die lange vergessene stillgelegte Backstube der Zwieback-Bäckerei der Familie Hens.

Nach stolzen Erzählungen von Emil Hens verteilte der Betrieb in Urzeiten ebenbürtig zu Brandt-Zwieback seine Produkte im Ruhrgebiet. In Mülheim wohnten noch 2 von 3 Erben, Katharina und Emil, an den dritten kann ich mich nicht mehr erinnern. Manchmal habe ich den Verdacht, dass dieser 3.Mann garnicht bestand, sondern ein Vorwand war, um die Übernahmeverhandlungen der "Zwieback-Fabrik" auf eine Ausräumerei der Backstube zurück zu stutzen. Denn die Immobilie war so ruiniert wie genial: ein U-förmiges Backsteinensemble umrahmte einen grossen kopfsteingepflasterten Innenhof, der Sonnenschein wurde nur vom alten Futterturm für die Pferdefuhrwerke des Vertriebsfuhrparks behindert. Der Hof öffnete sich zur ruhigen Altstadtgasse hin. Die Räume waren alle ebenerdig, vollgestellt mit Bäckereieinrichtung von 30 oder 40 oder 80 Jahren vorher. Schrecklich für den phantasielosen Betrachter war "nur" das Dach. Davon abgesehen hätte es ein wunderbarer Ort werden können.

Aber es blieb beim Ausräumen: ein riesiger 2-geschossiger gemauerter Steinofen schreckte mich mit schief versacktem Maul ab, aber 2 Maschinen zwinkerten mich verlockend aus ihrem Kleid aus Rost und Spinnweben an: der Oberle-Hubkneter und die alte Bertram, genannt "Triumphator", ein Monster von Brötchenmaschine. Vollständig und unbeschadet standen sie neben ihren Antriebsmotoren, die in IP00-Schutzart mit den von Mäusen zernagten Kabeln direkt auf dem Backstein-gefliesten Boden standen. Emil Hens konnte nicht mehr von ihren letzten Arbeitsstunden berichten, ich glaube auch, dass er damals selbst noch ein Kind war. Ich prüfte die Gängigkeit der Mechanik, erwog den Sinn und Unsinn weiterer Maßnahmen und entschied mich für Unsinn.

Meine/unsere Bäckerei Kabouter in Meiderich lief schon ein paar Jahre in stetem Wachstum auf dem frisch boomenden Bio-Markt, wir suchten einen Filialstandort, und gemäß unserer Herkunft wäre die Teinerstrasse in Mülheim passend gewesen. Ein halbes Jahr mühseliger Verhandlungen mit einem alten Mann, der nur Drittel-Erbrecht hatte, wollte ich nicht völlig ins Archiv der Irrwege schieben. Ich besorgte einen Stromgenerator, eine Hilti, lieh von unserem Grosshändler Grünes Netz eine Ameise und begann nach der Arbeit in Meiderich auf eigene Rechnung und Knieen die Maschinen aus den Fundamenten zu stemmen. Eine unsägliche Knochenarbeit, Funken stieben vom Boden, wenn mir trotz aller Vorsicht ein schwereres Teil aus der Hand rutschte. Der hohe Turm der Brötchenmaschine war das gefährlichste, ich weiss garnicht mehr, wie ich diese 50kg Eisen mit welchem Hebezeug unter der eingebrochenen Decke vom Sockel gehoben habe. Wenn das Teil aus 1m Höhe abends in der Dämmerung nur von meinem Unterleib gedämpft auf den Boden gestürzt wäre, hätte es vor einigen Jahren, bei der endgültigen Renovierung, vielleicht ähnliche aufwändige Untersuchungen gegeben wie auf Xantener Baustellen.

Die Geräte habe ich dann schliesslich auf Paletten eingepackt und in Essen auf dem Hof unseres Grosshändlers unterstellen dürfen. Nicht optimal, und unklar, wohin damit. Erst als die Inhaberfamilie einer grossen ostfriesischen Windmühle meine Windkraft-Bäckerei-Pläne überzeugend fand, öffnete sich eine Perspektive. Gespräche und Zusagen von Ämtern und Mühlenbesitzern weckten ausreichend Hoffnung in mir, um die ganze Einrichtung nach Ostfriesland zu transportieren. Die Verhandlungen mit den Vermietern dort erlitten aber nach ein paar Monaten eine unerwartete Wende, es schoben sich nicht tragbare Probleme vor die Vollendung. Und die Römer fehlten mir auch im Boden...Durch die neuen Kontakte in Xanten beschleunigte sich das Ende des Ostfriesland-Projektes: 1 LKW-Ladung Eisen fuhr wieder zurück an den Niederrhein, eingelagert in eine Halle im Gewerbegebiet, jetzt in der Mühle in Wardt.Das weitere Schicksal sollte sich ergeben aus den Verhandlungen mit Heinz Trauten...